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Recht haben und Recht bekommen

„Recht haben und Recht bekommen“

Im deutschen Recht ist der Schutz eines so genannten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit eingeschlossen, das auch den „Geltungsanspruch des Menschen in einer sozialen Welt“ umfasst.

Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen enthält:

  • den Schutz der Privat­ und Intimsphäre (das Recht, im Bereich der engeren Lebensführung ungestört zu bleiben, also etwa im Hinblick auf die Gedanken, Gefühle oder die eigenen vier Wände)
  • das Recht an der Darstellung der eigenen Person (das Recht, selbst darüber zu bestimmen, ob und wieweit Dritte das eigene Lebensbild oder Teile daraus öffentlich darstellen dürfen)
  • das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (das Bestimmungsrecht über Preisgabe und Verwendung eigener persönlicher Daten)
  • das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort (Einfluss­ und Entscheidungsmöglichkeit hin­ sichtlich der Erlaubnis von Anfertigung und Verwendung von Fotografien und Audioaufnahmen)
  • den Schutz der persönlichen Ehre, insbesondere
    • den Schutz vor Schmälerung des gesellschaftlichen Ansehens des Betroffenen,
    • den Schutz vor Schwächung der sozialen Kontakte als Reaktion auf diffamierende Äußerungen und Darstellungen Dritter
    • den Schutz vor Untergrabung des Selbstwertgefühls.


Viele Formen des Cybermobbing können strafrechtlich relevant sein, oftmals geht es dabei um den Schutz der Ehre:

  • die Beleidigung (§ 185 StGB, dem Betroffenen gegenüber werden ehrverletzende Werturteile oder unwahre Behauptungen geäußert),
  • die üble Nachrede (§ 186 StGB, hier werden geltungsanspruchverletzende, nicht erweislich wahre Behauptungen gegenüber Dritten in Abwesenheit des Betroffenen verbreitet)
  • die Verleumdung (§ 187 StGB, hier werden bewusst unwahre, ehrverletzende Behauptungen in Abwesenheit des Betroffenen verbreitet).


Spezielle Gesetze stellen Strafvorschriften in Bezug auf das Recht am eigenen Wort und dem Recht am eigenen Bild auf, wie z.B.:

  • die Verbreitung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Betroffenen: § 33 i.V.m. §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG);
  • die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen: § 201a StGB;
    • die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes: § 201 StGB;
    • die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung mit Schädigungsabsicht: § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)).


Des Weiteren stellt das Strafrecht folgende Tatbestände unter Strafe:

  • die Nötigung (§ 240 StGB, die Ausübung von Gewalt oder Gewaltandrohung, um einen Menschen zu einer Handlung zu zwingen oder ihn dazu zu bewegen, etwas zu erdulden oder zu unterlassen)
  • die Bedrohung (§ 241 StGB, die Bedrohung eines Menschen oder einer nahe stehenden Person mit der Androhung eines Verbrechens)
  • bei Formen des Cyberstalking, also der fortwährenden Belästigung oder Verfolgung, kann auch der Straftatbestand des § 238 StGB („Nachstellung“) Anwendung finden.



Die rechtlichen Möglichkeiten des Betroffenen:

  • Der Betroffene kann ein strafrechtliches Verfahren gegen den Täter einleiten lassen, vor allem durch Stellen einer Strafanzeige bzw. eines Strafantrags.
  • Täter ist regelmäßig nur der Äußernde, sind nicht aber die Diensteanbieter der Internetplattformen.
  • Sollen die noch abrufbaren Mobbinginhalte aus dem Netz verschwinden, so hat der Betroffene zivilrechtliche Unterlassungs­ und Löschungsansprüche (§§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) gegenüber dem Täter, aber auch gegenüber den Plattformanbietern im Internet, die diese Inhalte vorhalten.
  • Grundsätzlich liegt die Beweislast der Rechtsverletzung hier beim Anspruchsteller.
  • Zu den Unterlassungsansprüchen, die zumindest den Täter von einer erneuten Äußerung abhalten können, kommen in Fällen besonders schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzungen ggf. auch Schadensersatzansprüche oder gar Geldentschädigungsansprüche („Schmerzensgeld“).
  • Werden medienrechtliche Vorgaben des Medienordnungsrechts verletzt, kann sich der Betroffene an die zuständigen Medienaufsichtsstellen oder Selbstkontrollen wenden:
    • die Landesmedienanstalten,
    • im Jugendschutzbereich auch an die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia­Diensteanbieter (FSM)
    • bei Datenschutzverstößen an den jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten.
    • Die Medienaufsicht kann ggf. aufsichtsrechtliche Maßnahmen einleiten (z.B. Unterlassungs­ oder Löschungsanordnungen an den Inhalteanbieter, oder hilfsweise an den Plattformbetreiber oder Hoster), wenn ein Angebot gegen ehrschützende Normen, die Vorgaben des Jugendmedienschutz­Staatsvertrags oder datenschutzrechtliche Vorgaben verstößt.


Was das Recht allerdings nicht bietet, ist ein Anspruch auf eine Entschuldigung des Täters.

Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen
Rechtlich relevant ist das Alter des Täters (nicht des Betroffenen!)

  • Strafrechtlich besteht die Strafmündigkeit erst ab dem 14. Lebensjahr.
  • Zivilrechtlich sind Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren für eine Rechtsverletzung bzw. einen Schaden nur dann verantwortlich, wenn sie bei der Begehung der Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besaßen (§ 828 Abs. 3 BGB.


Probleme bei der rechtlichen Durchsetzung Schwierigkeiten
Auch wenn der Betroffene oder seine Familie theoretisch rechtliche Möglichkeiten haben, gegen Cybermobbing vorzugehen, gestaltet sich die rechtliche Durchsetzung öfters als schwierig:

  • Der beeinträchtigte Geltungsanspruch kann durch rechtliche Mittel nicht vollständig wiederhergestellt werden – die Verletzung tut nach wie vor weh.
  • Die Verletzung zirkuliert auch nach rechtlichen Schritten weiter im Netz – „das Internet vergisst nicht“.
  • Ist der Täter unbekannt oder die Tat nicht (mehr) beweisbar: Ohne Täter gibt es keinen Anspruch, und ohne Beweis steht Aussage gegen Aussage, so dass im Zweifel für den Angeklagten entschieden wird

 

  • Die verzögerte oder kaum praktikable Durchsetzung eigener Ansprüche gegenüber Plattformanbietern, die ihren Sitz im Ausland haben.
  • Durch formalrechtliche Strafanträge oder Zivilklagen schließt man die Möglichkeiten einer sozialen oder gemeinschaftlichen Einigung aus. In einigen Fällen kommt es durch Betreten eines neuen Levels der Auseinandersetzung eher noch zu einer Verschlimmerung des Zustands.
  • Die Risiken der Kostentragungspflicht trägt der Betroffene bei Zivilklage.
  • In ordnungsrechtlichen Verfahren kann das erstmalige Tätigwerden der Aufsichtsbehörde faktisch dazu führen, dass für den Betroffenen kaum noch die Möglichkeit der Rücknahme der rechtlichen Schritte bei einer außerrechtlichen Einigung besteht.
  • Ist beim Hinzuziehen der Medien die Deutungshoheit des Sachverhaltes erst einmal aus der Hand gegeben, bedeutet das für den Betroffenen oftmals einen nahezu vollständigen Kontrollverlust über den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung und dessen Bewertung durch Dritte.


Fazit
Auf dem Papier gibt das deutsche Recht Betroffenen von Cybermobbing vielfältige Möglichkeiten der Gegenwehr an die Hand. In der Praxis begegnen straf­ wie zivilrechtliche Möglichkeiten des Vorgehens gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen aber nicht unerheblichen Durchsetzungsgrenzen.

Quelle: Stephan Dreyer: Recht haben und Recht bekommen
Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen bei Cybermobbing

Der Artikel "Recht haben und Recht bekommen" aus der Broschüre Konflikte und Gewalt 5 zum Download:

Recht haben und Recht bekommen (PDF, 3 Seiten, 78 KB)
http://www.hamburg.de/gewalt/10275674/gewalt/

Die vollständige Broschüre aus dem JIZ: Konflikte und Gewalt 5, Seite 7ff
www.hamburg.de/jiz/3948950/konflikte-gewalt-5.html